Der zwölfte Mann

18. Dezember 2022

Die Muskeln spielen lassen

Michael Klassen

gibt einen Einblick in die Welt der Jugend-Bodybuilder

„Und jetzt den seitlichen Bizeps“, hallt die Stimme des Ansagers des Bodybuilding-Wettbewerbs durch die große Halle. Drei junge Männer nehmen die angesagte Pose ein, spannen die Muskeln an und lächeln in Richtung der Punktrichter.

Geschichte des Bodybuildings

Bodybuilding – veraltet auch Körperkulturistik genannt – ist ein Sport mit dem Ziel der aktiven Körpergestaltung. Im Mittelpunkt steht dabei das starke Wachstum der Muskelmasse, das durch Krafttraining – meist an Fitnessgeräten – erreicht wird. Das moderne Bodybuilding geht auf Eugen Sandow, der 1901 in London den ersten Bodybuildingwettbewerb veranstaltete, zurück. Lange Zeit war der Sport eine Männerdomäne. Seit den 1970er-Jahren begannen Frauen mit dem Bodybuilding. Während dies vor allem als eine besondere Form der Verbesserung von Schönheit, Gesundheit und Körperkraft angesehen wurde, überwiegen mit der Verwendung von hormonellen Substanzen auch weniger gesunde Aspekte.

Bodybuilding wird zu den Kraftsportarten gezählt, unterscheidet sich aber von der Schwerathletik, da es beim Bodybuilding primär um das ästhetische Aussehen des Körpers und nur sekundär um die Kraft geht. Im Bodybuilding werden Wettkämpfe durchgeführt, in denen die Teilnehmer ihren Körper in vorgeschriebenen Posen und einer Kür präsentieren. Die gezeigten Leistungen werden von einer Jury verglichen und bewertet. Dabei gibt es verschiedene Klassen, die sich nach dem Gewicht orientieren.

Michaels Weg zum Bodybuilding

Und genau so ein Wettbewerb zieht Michael im Alter von 17 Jahren in die Welt des Bodybuildings. Mit 14 kommt er das erste Mal mit dem Kraftsport in Berührung. „Wir hatten im Keller ein paar Hanteln, da hat man sich herangetastet.“ Wenig später meldet er sich im Fitnessstudio an und „trainiert ersteinmal ganz normal“. Immer mehr setzt er sich mit dem Thema Sport auseinander. „Du schaust dir im Netz – sei es Instagram oder YouTube – Sportler an, die zu deinen Idolen und Vorbildern werden“, erklärt er. Er trainiert mehr, achtet vermehrt auf seine Ernährung – und interessiert sich immer mehr für Wettbewerbe. „Mein Vorbild ist und bleibt Mr. Olympia. Bei diesem Wettbewerb stellen sich die ,krassesten‘ Bodybuilder“, erklärt Michael. Und so kommt ihm recht früh der Gedanke, selbst an einem Wettbewerb teilzunehmen. „Das hat mich irgendwie gecatcht. Dann habe ich angefangen, diesen Lifestyle nach und nach selbst zu leben.“ Bei seinem Schülerpraktikum bei „Body Nutrtion“ in Fulda kommt er mit einem Wettkampfveranstalter in Kontakt – und beginnt sich auf einen solchen vorzubereiten.

Foto: privat

Die Wettkampfvorbereitung

„Es kommt immer darauf an, bei welchem Ist-Zustand du bist“, erklärt Michael. Zunächst wird meist Masse aufgebaut – heißt du isst und isst. Oftmals auch über den Hunger. „Einmal habe ich mich übergeben, weil die Kalorien einfach reinmussten“, blickt er zurück und ergänzt: „Du bist da so in deiner eigenen Welt, dass es zur Normalität wird. Ich wollte es damals so.“ Neben der vorgeschriebenen Ernährung – die meist aus Hühnchen, Reis, Brokoli oder Fisch und Kartoffeln besteht –, steht jeden Tag Krafttraining auf dem Programm. „Auch, wenn du keine Lust hast, du gehst zum Training, weil es für die Vorbereitung so wichtig ist.“

Seinen gesamten Alltag – Schule, Freunde, Ernährung, Termine – baut er um seine Vorbereitung herum. „Alles andere wird zweitrangig.“ Im Mittelpunkt steht für ihn: Wie optimiere ich meinen Fortschritt. Dass er dann vor allem in den Tagen vor dem Wettkampf gereizter wurde, nimmt er heute mit Humor. Du hast Hunger, bist müde, unausgeglichen, siehst allen andern zu, wie sie gerade einen fettigen Burger essen, musst aber selbst verzichten – das hat schon an den Nerven gezerrt.“ Aber: „Ich wollte das so. Ich wollte auf die Bühne gehen und habe das alles in Kauf genommen.“

Verliert man den Bezug zur Normalität bezüglich des eigenen Körpers?

Zu 100 Prozentund das in allen Belangen. Du schaust dich beispielsweise bei jeder Gelegenheit im Spiegel an, posierst, beurteilst und updatest dich. Dabei nimmst du dich oft schmaler wahr, als du tatsächlich bist. Das deutet ja schon deutlich auf ein verzerrtes Realitätsbild hin. Man schaut auch die Menschen um sich herum ganz anders an. Wenn ich mal nicht trainiert habe, weil ich krank war oer so, habe ich mich direkt unwohl gefühlt. Mein Slebstbewusstsein hing damals davon ab.

Am 14. August 2018 ist es schließlich soweit. Mit zwei weiteren Teilnehmern betritt Michael die Bühne und präsentiert das Ergebnis seiner monatelanger harten Arbeit. Doch kurz danach geht es bergab. „Mein Kürper hat rebelliert. Ich hatte Bauchschmerzen, konnte kaum noch was zu mir nehmen – und das über Monate“, blickt der 22-Jährige zurück. Auch die Ärzte wissen nicht weiter, jegliche Untersuchungen bleiben ergebnislos. „Nachträglich betrachtet, schätze ich, dass mein Körper den ganzen Stress der vergangenen Monate abgeladen hat.“ Und so ist er erst einmal ganz raus aus dem Sport, trainiert monatelang nicht. „Als ich dann langsam wieder angefangen habe, ins Gym zu gehen, hat mir dieses ,normale‘ Training gar keinen Spaß mehr gemacht.“

Posing

Fußstellung, die richtige Handhaltung, das Lächeln und Brustanspannen – die richtige Pose spielt bei den Wettkämpfen eine entscheidende Rolle. Die Jury gibt den Sportlern nach und nach verschiedenen Posen vor, in denen sie ihre Muskeln bestmöglich präsentieren sollen. „Das ist sogar Teil des wöchentlichen Trainings, es gilt viel zu beachten“, erklärt Michael. Insgesamt gibt es sieben verschiedene Formen, in denen der Körper – mit brauner Farbe bestrichen, um die Muskeln und Konturen noch besser hervorzuheben – präsentiert wird: frontal, Doppelbizeps, zwei Rückenposen, Bauch und Beine, seitliche Brust, seitlicher Bizeps.

Bodybuilding ist ein sehr klischeebehafteter Sport. Fällt dir spontan eines ein, das nicht zutrifft?

Ja tatsächlich. (lacht) Man sagt, der Penis eines Bodybuilders würde kleiner werden. Das stimmt nicht, es sind „nur“ die Hoden – aber auch nur dann, wenn man Hilsmittel wie Stereoide oder ähnliches benutzt.

Heute

Bodybuilding begeistert den 22-Jährigen noch heute. „Ich denke, das werde ich auch nicht mehr rausbekommen“, schmunzelt er. Mittlerweile hat er sein Training auch wieder intensiviert und achtet mehr auf seine Ernährung. „Ob ich irgendwann nochmal auf einer Bühne stehe, kann ich jetzt noch nicht sagen. Ausschließen würde ich es aber nicht.“

Volke Bauer hat sich ebenfalls einem Sport verschrieben: dem Strongman. Lest hier mal rein!

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