Der zwölfte Mann

23. Oktober 2022

Ein Kraftakt

Volker Bauer im November 2021 beim Ultimate Strongman u105 European Truckpull Cup.
Disziplin: 16 t Truckpull x 20 m! Foto: privat

Volker Bauer

ist „Deutschlands stärkster Mann“

Volker schließt die Augen. Die Geräuschkulisse um ihn herum verstummt für einen Moment, er atmet tief durch und blickt auf den Stein zu seinen Füßen. 160 Kilo – die er nun bewegen soll. Einmal hoch bis zur Schulter, dann wieder fallen lassen. Noch einmal tief durchatmen, dann ertönt das Startsignal. Seine Bewegungen funktionieren wie von selbst – unzählige Male schon ist er bei dieser Disziplin angetreten. Der Bewegungsablauf wie einstudiert. Würde er dieses Gewicht nun stemmen, entscheidet er die Disziplin für sich – und der Strongman-Sieg rückt in greifbare Nähe.

Was ist Strongman?

In den 70er-Jahren waren Veranstalter auf der Suche nach einem Entertainment-Sport. Und so kam es zu der Idee, Elite-Sportler aus verschiedenen Disziplinen – Kugelstoßen, Gewichtheben, Weitwurf – in einem Wettkampf zusammen zu bringen. Dabei wurden Geräte genutzt, die einen jeglichen Wettkampfsvorteil aus dem Weg räumten. Baumstämme beispielsweise wurden zuvor in keiner Sportart bewegt – so entstand das Baumstammheben. Beim Strongman geht es entweder darum so viel Gewicht wie möglich zu bewegen oder in einem vorgegebenen Zeitfenster so viele Wiederholungen wie möglich zu absolvieren. Inzwischen zählt Strongman 30 bis 40 verschiedene Disziplinen. Grundlegend gibt es dabei verschiedenen Gewichtsklassen – U90, U105. In letzterer tritt Volker an. Der deutsche Dachverband nennt sich German Federation of Strength Athlete (GFSA).

Wo kann dieser Sport ausgeübt werden?

Tatsächlich überall. Die Wettkämpfe, an denen ich bereits teilgenommen habe, fanden an den unterschiedlichsten Orten statt – im Wald, am Strand, auf Asphalt oder in den Bergen mit vielen Höhenmetern. Einen ganz besonderen Wettkampfort habe ich in Sybirien kennengelernt, wir waren ganz oben auf einem Berg und es war sehr sehr kalt. Aber diese Variationen machen es auch aus. Der Untergrund kann bei so mancher Disziplin entscheidend sein. Sand zum Beispiel ist weich und nachgiebig, da rutscht man eher mal weg, als auf Asphalt.

2019 kam der heute 25-Jährige auf Umwegen zu diesem Sport – und verliebte sich direkt. „Seit dem ich 15 war, bin ich regelmäßig ins Fitnessstudio gegangen und habe zusätzlich die verschiedensten Diäten ausprobiert. Ich wollte einfach immer gut aussehen“, erinnert er sich zurück und ergänzt: „Dadurch bin ich aber unglaublich schwach geworden, es gab also kein Vorankommen, wie ich es mir erhofft hatte.“ Und so kommt er schließlich mit dem Dreikampfsport in Kontakt, verzichtet auf jegliche Diäten und nimmt schnell an Wettkämpfen teil. So wurde er dreimal Hessenmeister und belegte außerdem den dritten Platz der Deutschen Juniorenmeisterschaft. „Strongman“ ist ihm bis dato bereits ein Begriff – ausprobiert hatte er ihn aber noch nicht.

Eine entscheidende Begegnung im Hörsaal

Der 25-Jährige widmet sich nicht nur in seiner Freizeit dem Sport – auch beruflich spielt dieser eine zentrale Rolle: Volker studiert Bewegung und Gesundheit sowie Sporttherapie. „Im Hörsaal bin ich durch Zufall mit jemanden ins Gespräch gekommen, der bereits als Strongman aktiv war. Er lud mich ein, doch einfach mal vorbeizuschauen. Das habe ich gemacht.“ Bereits 2019 nimmt er an ersten Wettkämpfen teil. „Das war meine erste Wettkampfsaison, und es hat unglaublich viel Spaß gemacht.“ Auch wenn die Athleten im Vorfeld nicht wissen, welche Disziplinen konkret drankommen, ist im Vorfeld klar, dass bestimmte Bereiche geprüft werden. Dazu gehören die Überkopfkraft, Griffkraft, motorische Leistungen und die Präzision. „Es geht immer darum, aus deiner Komfortzone heraus zu kommen“, betont Volker.

Ein Konurrenzdenken gibt es aber selbst bei Wettkämpfen nicht: „Wir sind eine sehr kleine Community, aber wir kennen uns untereinander und man trainiert viel zusammen. Der Hauptkonkurrent ist dadurch tatsächlich das Gewicht. Wir freuen uns immer für den jeweils anderen“, erzählt der gebürtige Ukraine. In Deutschland gibt es zwar verschiedene Trainingsstützpunkte, mittlerweile müssen die Athleten aber selbst für Equipment sorgen. Bei bis zu 40 Disziplinen gestaltet sich das natürlich schwieriger, so dass sich gegenseitig ausgeholfen wird.

Wo liegt die Herausforderung beim Strongman?

Alle Athleten sind gut, da ist es im Voraus schwer zu sagen, wer als Favorit ins Rennen geht. Wie in anderen Sportarten ist das dann häufig tagesformabhängig. Außerdem weißt du vorher nie, welchen Disziplinen du dich im Wettkampf stellen musst. Dadurch haben wir ja per se die gleichen Chancen. Und so kommt es oft auf die Kleinigkeiten – wenige Kilos, den richtigen Griff oder die Technik – an, die letztendlich über die Platzierungen entscheiden.

Strongman in Deutschland

„Wir dürfen nicht vergessen: Diesen Sport gibt es überhaupt erst seit gut 45 Jahren. Nach Deutschland gekommen ist er vor etwa 30 Jahren“, erklärt Volker. Mittlerweile gibt es aber drei Ligen. „Du startest in der Dritten und steigst dann wie beim Fußball bei entsprechender Leistung immer eine weiter auf. Bei uns funktioniert das mit einem Punktesystem.“ Doch Corona sorgte auch bei diesem Sport für einen Wettkampf-Stillstand, den Voker effektiv zu nutzen wusste: „Ich habe mich in dieser Zeit vollkommen auf meine Schwachstellen fokussiert.“ 2021 schafft er schließlich den Sprung in die erste Liga. „Das war von Anfang an mein großes Ziel.“

Doch finanziell kommt so gut wie gar nichts dabei herum. „Hier in Deutschland ist Strongman nach wie vor eine Randsportart. Wenn du ein großes Turnier gewinnst, ist es schon gut, wenn du deine Reisekosten decken kannst. In den USA beispielsweise verdienen die Athleten fünfstellig. Aber das ist am Ende nicht der Grund, warum ich diesen Sport mache.“

Was gibt dir dieser Sport?

Um diesen Sport in diesem Ausmaß zu betreiben, muss man extrem aus seiner Komfortzone herauskommen – und das in jeder einzelnen Disziplin. Eine große Rolle spielt hierbei vor allem die mentale Stärke. In diesem Bereich habe ich mich die vergangenen Jahr sehr weiterentwickelt – und das musst du auch, um mithalten zu können. Die Konkurrenz ist verdammt stark. Ein Beispiel: Auf einem der Wettkämpfe hatte ich im Bizeps ein tiefes Hämatom und gleichzeitig den Adukto gezerrt. Es ging darum, einen schweren Stein zu heben. Ich wusste also, ich bin nicht auf meinem gewohnten Level, würde aber – sollte ich den Stein heben – auf Platz eins ziehen. Ich hatte also zwei Möglichkeiten: statisch arbeiten und aus den Beinen heben oder mit den Armen arbeiten. Keine Variante wäre aufgrund der Verletzungen ideal gewesen. Weil ich aber mittlerweile mental so stark bin, habe ich in meinem Kopf einen Weg gefunden, habe dieses Ding bewegt, sogar meine beste Zeit erzielt und die Disziplin gewonnen. Es ist also so viel Kopf dabei.

Ein Blick in die Zukunft

Seine erste internationale Saison absolvierte der Fuldaer 2021. Und seitdem ist er nicht mehr aufzuhalten. „Durch diesen Sport kommt man unglaublich viel herum. Ich habe schon so tolle Länder kennenlernen dürfen – das macht die Reisestrapazen wieder wett.“ Und doch sieht er sich noch lange nicht am Ende seine Karriere. Im November steht „World Strongest Man U90“ in Florida auf dem Programm. „Das wird eine tolle Erfahrung, vor allem, weil ich die Gewichtsklasse wechsle.“ Und durch die Teilnahme in verschiedenen Ländern ist er mittlerweile international vernetzt: „Wir kennen uns untereinander und so werde ich beispielsweise von den Georgiern angerufen und gefragt, ob ich an deren Wettkampf teilnehmen will. So kommt dann das eine zum anderen. Und ich bin mir sicher, da liegt noch eine spannende Reise vor mir.“

Erfolge

Stärkster Mann Deutschlands U105
European Stringest Man
World Strongest Man

Lest auch hier mal rein: Ein Ernährungscoach klärt über Ernährungs-Mythen auf.

2 Comments on “Ein Kraftakt

[…] Lest auch das: Volker Bauer hat im Interview über seine Leidenschaft gesprochen – Strongman! […]

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[…] Bauer hat sich ebenfalls einem Sport verschrieben: dem Strongman. Lest hier mal […]

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