Der zwölfte Mann

30. Oktober 2022

Ein Weltmeister auf dem Kleinfeld

Foto: privat

Kim Sippel

ist Torwart der deutschen Kleinfeld-Fußballer

Nur noch wenige Minuten sind zu spielen, noch steht es unentschieden. Unentschieden im Kampf um den Titel. Deutschland gegen Polen. Die Zuschauer des Kleinfeldfußball sind kaum noch auf ihren Plätzen zu halten, die Stimmung kocht hoch. Ein Pfiff. Die reguläre Spielzeit vorbei. Penalty Shot. Eins gegen eins. Torwart gegen Spieler. Ein Spieler läuft an, er drippelt und – er schießt …

Kleinfeldfußball in Deutschland und der Welt

„Was den Kleinfeldfußball angeht, ist Deutschland noch ein absolutes Entwicklungsland“, erklärt Kim Sippel. Die Sportart entstand aus den Universitäts-Ligen. Dort wurde schon seit langer Zeit auf einem kleineren Feld mit weniger Spielern ausgetragen. Auch viele Hobbytruppen spielen auf diese Weise. Irgendwann wurde beschlossen, einen Deutschen Meister auszuspielen. Und dabei wurde bemerkt, Ey, da treffen die besten Spieler aufeinander. So gründete sich die Deutsche Nationalmannschaft. 2012 fand dann die erste Europameisterschaft in Montenegro statt. „In anderen Ländern – vor allem in den osteuropäischen wie Polen oder Rumänien – ist diese Sportart schon vor viel längerer Zeit angekommen“, so der Wabener. „Die haben da diese kleinen Bolzplätze.“ Die Weltmeisterschaft findet jährlich statt, eine Europameisterschaft gibt es nicht mehr – dafür finden kleinere Event-Turniere wie der Baltik-Cup oder Adria-Cup statt.

Vor der Corona-Pandemie hatte der Deutsche Kleinfeldfußball Verband angedacht, den „nächsten Step“ zu gehen und eine Liga – bestehend aus 12 Mannschaften – zu etablieren. „Das liegt jetzt allerdings noch in der Schublade und soll im kommenden Jahr angegangen werden“, weiß der Torwart der Nationalmannschaft.

Kims Weg zum Kleinfeldfußball

Fußball spielt schon immer eine große Rolle im Leben des 33-jährigen Kim Sippel. Bereits in der Jugend spielt er für den KSV Baunatal, den Lichtenauer FV und Hessen Kassel. So sammelt er etliche Erfahrungen in der Hessen- und Regionalliga. „In der Zeit habe ich gemerkt, wie viel Spaß mir dieser halbprofessionelle Fußballbereich macht“, erzählt der Waberner. So macht er seinen Master im Sportmanagement und wird zum Manager des KSV Baunatal; für Hoffenheim ist der sogar als Coach in Indien unterwegs. Später hängt er noch einen Master in der Sportpädagogik dran und landet schließlich bei der DFB-Talentförderung. „Der Fußball hat mich in allen Varianten verfolgt“, erinnert er sich schmunzelnd.

Im Rahmen einer Hausarbeit für das Studium stößt er schließlich auf den Kleinfeldfußball. „Das hat mich sofort neugierig gemacht und ich habe mich informiert, wie man da mitmachen kann.“ So kontaktiert er sowohl Trainer als auch Verbandschef, reicht seinen sportlichen Lebenslauf – mit allerlei hochklassiger Spielerfahrung – ein. „Ich wurde dann zum offenen Scouting, kurz danach zu einem Sichtungsturnier eingeladen – und plötzlich war ich 2015 bei der Europameisterschaft in Kroatien im Kader.“

Die Deutsche Nationalmannschaft

Die Deutsche Kleinfeld-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2022 in Ungarn. Foto: privat

Erst vor wenigen Wochen sind die deutschen Kicker aus Ungarn zurückgekehrt. „Das war wieder ein tolles Erlebnis mit den Jungs zusammen“, sagt Kim. Platz vier stand für sie am Ende zu Buche, nachdem sie im Halbfinale gegen den späteren Sieger aus Brasilien ausschieden. Das besondere für Kim Sippel: Er führte nicht nur die Nationalmannschaft als Kapitän durch das Turnier, er wurde außerdem zum besten Torhüter des Turniers ausgezeichnet. „Ich hoffe, das war ein gutes Omen für das kommende Jahr. Bei uns reist sich jeder für jeden den Arsch auf, das macht unser Team so besonders.“
Im Juni 2023 steht nun die Heimweltmeisterschaft auf dem Programm. „Ich bin jetzt 33, da habe ich natürlich schonmal übers Aufhören nachgedacht. Aber eine Heim-WM kann ich mir auf gar keinen Fall entgehen lassen“, macht Kim schmunzelnd deutlich.

Im Halbfinale gegen Brasilien.

Ein Highlight

Teamgeist, Kulturen, die Welt bereisen – seit nunmehr sieben Jahren gehört der Keeper, der mittlerweile wieder für seinen Heimatverein Wabern aufläuft, Teil der Nationalmannschaft. „Eine unvergessliche Zeit“, sagt er heute. Eine Zeit mit allerlei Erlebnissen und einem klaren Highlight: 2018 gewinnen die Deutschen die Weltmeisterschaft in Portugal. „Das war natürlich der absolute Wahnsinn, ein unvergessliches Erlebnis. Jeder hat mitgefiebert, die Zuschauer waren kaum noch auf den Plätzen zu halten.“

Die Spiele sind immer gut besucht.

Eine Zusammenfassung des Finalspiels zum Titelgewinn 2018 könnt ihr euch hier noch einmal anschauen – Gänsehaut vorprogrammiert!

Erfolge

2015 – Europameisterschaft in Kroatien – Ausscheiden im Achtelfinale
2016 – Europameisterschaft in Ungarn – Ausscheiden im Viertelfinale
2017 – Europameisterschaft in Tschechien – Ausscheiden in der Vorrunde
2018 – Weltmeisterschaft in Portugal – Weltmeister
2019 – Weltmeisterschaft auf Kreta – Ausscheiden in der Vorrunde
2020 und 2021 – wegen Corona ausgefallen
2022 – Weltmeisterschaft in Ungarn – Ausscheiden im Halbfinale

Kleinfeldfußball vs. Großfeldfußball

Erfahrungen hat der Wabener mittlerweile in beiden Bereichen ausreichend gesammelt, einen klaren Favoriten hat er daher: Kleinfeldfußball. „Es macht einfach unglaublich viel Spaß.“ Im Amateurfußball-Bereich werde es immer schwieriger, genügend Spieler zusammen zu bekommen, bei lediglich sechs Spielern sei das deutlich einfacher. „Vor allem, wenn man das als Event aufzieht, werden nicht nur Fußball-Fans angelockt. Das Drumherum macht dann genauso Spaß. Außerdem dauert Kleinfeldfußball insgesamt nur eine Stunde.“

Ein weiteres Pro-Argument für das kleine Feld ist für Kim die Integrierung des Torhüters. „Wir sind durchgängig involviert, ein Angriff geht von uns aus. Und da es kein Abseits gibt, müssen wir immer hellwach sein und können uns nicht auf dieser Regel ausruhen. Wir hüten also nicht nur das Tor und machen Abschläge, sondern spielen auch viel mit.“

Die wichtigsten Regeln

– Es gibt kein Abseits. „Das macht Spiel flotter, vor allem als Torwart. Man mus zu jeder Zeit den Überblick behalten.“
– Die Grätsche um den Ball herum ist verboten.
– Bei K. o.-Spielen gibt es keine Verlängerung, sondern einen Penalty-Shot (wie beim Eishockey). Das bedeutet, ein Spieler im Alleinangriff gegen den gegnerischen Torwart.
– Die Gelbe Karte hat eine Zeitstrafe von zwei Minuten zur Folge.

Ein Vergleich

FußballKleinfeldfußball
Spieler auf dem Feld116
Spielfeldgröße105 m x 68 m45 m x 25 m
Das Tor7,32 m x 2,44 m4 m x 2 m
Die Spielzeit2 x 45 Minuten2x 20 Minuten
Der Strafstoß11 Meter vor dem Tor7 Meter vor dem Tor
Der Einwurfwie bekannt„kick-in“

Durch die erhöhte Belastung mit teilweise zwei Spielen an einem Tag, ernähren sich die Spieler vegan. „Ich fühle mich seit dem viel besser in meinem Körper, die Regeneration geht schneller, ich fühle mich fitter“, erklärt Kim. Mehr zu der veganen Ernährung im Leistungssport lest ihr im Interview mit Regionalligaspieler Adrian Bravo-Sanchez.

Die deutschen Kleinfeldfußballer sind immer auf der Suche nach talentierten, leidenschaftliche Spieler. Interessierte können sich daher gerne melden per Mail an office@dkfv.de oder über die Webseite.

One Comment on “Ein Weltmeister auf dem Kleinfeld

[…] Auch Kim Sippel war mit seiner Leidenschaft, dem Kleinfeldfußball, auf internationaler Bühne unterwegs. Mehr dazu liest du hier. […]

Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert