Vegan: In Bestform?

Adrian Bravo-Sanchez
über Veganismus im Leistungssport
Wir treffen uns in Adrians Küche. Auf der Arbeitsplatte liegen bereits etliche Gemüsesorten, ein Salatkopf und Hummus bereit. Für das heutige Mittagessen steht ein bunter Salat mit Schnitzel und Dip auf dem Speiseplan – mein erstes veganes Essen. Proteine, Eiweiß, Fette – alles abgedeckt. Doch was auffällt: Weder Fleisch- noch Tierprodukte sind dabei, stattdessen viel Gemüse und Ersatzprodukte. „Das wird lecker“, betont Adrian Bravo-Sanchez. Seit mittlerweile vier Jahren ernährt sich der 28-jährige Regionalligafußballer – der aktuell bei SV Rödinghausen unter Vertrag steht – vegan.
Veganismus – Aus dem Boden gestampft?
Der Veganismus gilt als eine aus dem Vegetarismus hervorgegangene Einstellungs-, Lebens- und Ernährungsweise. Der Schöpfer des Wortes „vegan“ war Donald Watson, der 1944 die Vegan Society gründete. Veganer leben ohne tierische Produkte. Sie essen nur pflanzliche Lebensmittel und verzichten auf alles vom Tier, das heißt sie trinken keine Milch, essen keine Eier und Honig. Genau genommen kaufen sie keine tierischen Erzeugnisse wie Lederprodukte, Wollpullis oder Daunenbetten.
Formen des Veganismus
biovegane Ernährung – Die Anhänger dieser Ideologie vertreten die Ansicht, nur ökologisch angebaute Lebensmittel verwenden zu wollen. Für sie ist es selbstverständlich, dass die pflanzlichen Produkte ohne Dünger tierischen Ursprungs, wie Gülle oder Knochenmehl, aufgezogen worden sind.
Fruganismus/Fruitarismus – Bei dieser Ernährungsform werden nur die Früchte von Pflanzen gegessen. Die Anhänger sind der Meinung, dass der Mensch von seiner Biologie her ein Früchteesser sei und der Fleischverzehr nicht seiner Natur entspräche. Die Frucht einer Pflanze jedoch stellen den Teil einer Pflanze dar, die geerntet werden können ohne die Stammpflanze selbst zu verletzen. Fruganer ernähren sich demnach von Obst, Nüssen und Samen.
Freeganismus – Hierbei wird versucht, sich möglichst kostenlos zu ernähren. Die Lebensmittel werden aus Mülltonnen von Supermärkten und privaten Haushalten beschafft. In Deutschland ist die Ernährungsweise auch unter „Containern“ bekannt.
Adrians Weg zum Veganismus
„Früher habe ich mich tatsächlich sehr fleischlastig ernährt, fast jeden Tag sogar“, blickt Adrian zurück. „Zum Salat gehörte beispielsweise immer Hähnchen dazu. Ich dachte, dass ich nur mit dem Fleisch ausreichend Proteine zu mir nehme und satt werde.“ Doch mit der Zeit klagt er über regelmäßige Bauchschmerzen. „Ich hatte immer mal in den Medien gehört, dass viele Profisportler auf Fleischprodukte ernähren, unter anderem auch, weil es entzündungshemmend wirken würde“, erzählt der 28-Jährige. Wie es der Zufall will, trifft er bei der Streamingplattform Netflix auf die Serie „Game Changer“. Diese berichtet von Sportlern, die sich vegan ernähren – und bringt eine Wendung für den Spanier mit sich. „Daraufhin habe ich meinen Fleischkonsum von täglich auf zwei bis drei Tage die Woche gesenkt. Und damit sind auch meine Bauchschmerzen verschwunden.“ Adrian beginnt sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen und erkennt, was alles an einem Stück Fleisch dranhängt: Umwelt, Tierwohl, Tierhaltung, verschiedene Ernährungsformen. „Ab da war es ein Prozess von vier Wochen bis ich gar kein Fleisch mehr gegessen habe.“ Dazu hat er beispielsweise mehrere Bücher von Attila Hildmann über vegane Ernährung gelesen.
„Bist du ein Kalb?“
Innerhalb kürzester Zeit merkt er eine körperliche Veränderung: „Ich fühlte mich fitter, nach dem Training erfolgte eine schnellere Regeneration“, sagt Adrian. Ernährung, Schlaf, gesundes Essen – das hängt alles zusammen und geht ineinander über. Neben dem Verzicht auf Fleisch, lässt er vermehrt Milchprodukte weg, vor allem die aus Kuhmilch. „Durch Zufall bin ich mit meinem ehemaligen Mitspieler Sergej Evljuskin auf das Thema zu sprechen gekommen.“ Dieser ernährte sich zu dieser Zeit auf Pflanzenbasis (Erbsen etc.), keine Milchprodukte. „Er fragte mich: ,Bravo, warum produziert die Kuh Milch?‘. Nach kurzem Überlegen sagte ich ,Na für die Kälbchen‘.“ – „Richtig, bist du ein Kalb“, erhält er als Antwort, die ihn zum Nachdenken anregte. Und so stellt er schließlich auf Ersatzprodukte wie Soja Joghurt und Haferdrink um. „Ich merke einen deutlichen Unterschied, vor allem im Magen“, sagt Adrian heute. Die Ernährungsumstellung nimmt immer mehr Form an, bis Adrian schließlich Veganer wird.
Im Alltag
Einkaufen: „Die Supermärkte sind heutzutage immer besser aufgestellt, was vegane Produkte angeht. Anfangs musste ich mich natürlich viel damit auseinandersetzen und habe die Zutatenlisten gelesen. Mittlerweile ist es eine Routine, ich weiß, wo ich finde, was ich suche. Ich muss aber auch sagen, dass nicht alle Ersatzprodukte schmecken. Da hilft aber nur ausprobieren.“
Restaurantbesuche: „Wie auch die Supermärkte, haben Restaurants ein immer besseres Angebot. Buffets sind allgemein immer ein bisschen schwieriger. À la carte hingegen findet sich meist was Gutes. Es gibt mittlerweile sogar reine vegane Restaurants.“
Feierlichkeiten mit Familie und Freunden: „Meine Mutter beispielsweise bemüht sich, immer etwas veganes zuhause zu haben, sei es Plätzchen oder andere Kleinigkeiten. Generell ist die Akzeptanz aber Generationenabhängig. Ich habe ihr zu Liebe auch schon mal eine Scheibe Schinken gegessen. Beim Grillen bringe ich mir auch mal Gemüsespieße, Beyond Meal oder Mais mit. Da gibt es zu allem Lösungen. Bin ich allerdings nicht vorbereitet, kann ich auch mal leer ausgehen. Da gibt es dann nur Brot.“
In der Kabine: „Natürlich muss man sich ab und zu den ein oder anderen Spruch anhören. Macht man mal einen laschen Schuss im Training, heißt es beispielsweise, ,Hättest du mal Fleisch gegessen‘, aber das gehört dazu. Es wird über alles und Jeden Sprüche gemacht.“
Auswärtsfahrten: „Diese Extrawurst ist mir schon manchmal unangenehm. Deshalb bereite ich mir vor Auswärtsfahrten meist zuhause was vor, das ich bequem mitnehmen kann.“
Auch, wenn sich Adrian körperlich besser fühlt, sagt er: „Man opfert ein Stückchen Lebensqualität. Es gibt viele gute vegane Gerichte, aber nicht alle Ersatzprodukte schmecken gut.“ Für ihn als Sportler ist es außerdem essentiell wichtig, körperlich fit zu sein, um gute Leistungen bringen zu können – vor allem auf Profiniveau. „Wie gesagt, ich habe eine Leistungssteigerung durch eine bessere Körperform wahrgenommen. Allerdings kann ich durch die vegane Ernährungsweise nicht alle Nährstoffe und Vitamine aufnehmen, daher nutze ich Nahrungsergänzungsmittel. Das habe ich als Sportler aber auch vorher schon teilweise.“ Dazu gehören Omega-3-Kapseln, Zink, Magnesium sowie vegane Proteinshakes. „Der Proteinbedarf sollte gedeckt werden, darauf achte ich.“


Foto: imago images / Noah Wedel
Bist du ein „strenger“ Veganer oder …?
Nein. Da gibt es immer mal wieder Ausnahmen. Ich esse ab und zu ganz gerne Fisch. An Weihnachten gibt es traditionell auch Fleisch. In erster Linie geht es mir um die Gesundheit und meine Leistungsfähigkeit. Ich verbiete mir also nichts. Und ich muss ehrlich gestehen, manchmal ist es schade. Zum Beispiel, wenn ich an einen saftigen Burger denke, auf den ich nun stattdessen eine Falafel lege. Aber: Das soll keinen Cheatday-Charakter annehmen, die Rahmenbedingungen müssen passen. Gleichzeitig muss ich sagen, dass ich bei dem Gedanken an Fleisch an ein Schwein im Mastbetrieb denken muss.
Vegan bedeutet jedoch nicht nur, sich von „nicht-tierischen“ Produkten zu ernähren. Auch der Verzicht auf beispielsweise Echt-Fell-Jacken gehört dazu. Mittlerweile ist auf vielen Pflegeprodukten wie Shampoos, Duschgel oder Cremes ein „vegan“-Zeichen zu finden. „Ich denke, dass das Wort vegan etwas ausgenutzt wird. Shampoo oder Getränke sind meist grundlegend ohne tierische Spuren. Trotzdem wird es draufgeschrieben“, befindet Adrian.
What Adrian eats in a day




Ein Weltmeister auf dem Kleinfeld | Der zwölfte Mann
30. Oktober 2022 um 13:06[…] Durch die erhöhte Belastung mit teilweise zwei Spielen an einem Tag, ernähren sich die Spieler vegan. „Ich fühle mich seit dem viel besser in meinem Körper, die Regeneration geht schneller, ich fühle mich fitter“, erklärt Kim. Mehr zu der veganen Ernährung im Leistungssport lest ihr im Interview mit Regionalligaspieler Adrian Bravo-Sanchez. […]